Lobbyisten in Ministerien

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Version vom 13. Juli 2011, 11:40 Uhr von Tobias (Diskussion | Beiträge) (Übersicht: Lobbyisten in den einzelnen Ministerien)

Das Problem

Das Fernsehmagazin Monitor deckte im Oktober 2006 auf, dass in Bundes- und Landesministerien in großem Umfang MitarbeiterInnen von Unternehmen und Unternehmensverbänden arbeiten und in der Regel von diesen weiter bezahlt werden. Über 100 Fälle sind inzwischen bekannt und in dieser Datenbank aufgelistet. Laut einer Prüfung des Bundesrechnungshofes waren externe Mitarbeiter an der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen beteiligt und nahmen zeitweilig sogar Führungsfunktionen wahr. Mehr als 60% von ihnen wurden dabei von ihrem Unternehmen oder Verband bezahlt. Sie wurden auch in Tätigkeitsfeldern eingesetzt, „die hinsichtlich ihrer politischen Bedeutung, ihres Zugangs zu internen Informationen oder ihrer Nähe zu den Interessenschwerpunkten der entsendenden Stelle eine herausgehobene Position hatten“.

Ein Teil der Fälle geht auf das Personalaustauschprogramm „Seitenwechsel“ der Bundesregierung zurück, ein Bestandteil des Regierungsprogramms „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“. Dieses Regierungsprogramm wurde am 16. Juni 2004 verabschiedet. Erste Gespräche zu dem Austauschprogramm fanden im Frühjahr 2004 zwischen dem Bundesministerium des Innern und der Deutschen Bank statt.[1]

Ziel des Vorhabens sei ein langfristiger Wissenstransfer, um einen Mentalitätswechsel in der Bundesverwaltung zu erreichen, so die wohlklingende Begründung der Bundesregierung. Tatsächlich hat diese Praxis lange im Verborgenen stattgefunden und ist an vielen Stellen hoch problematisch und demokratieschädlich. Sie entpuppt sich als organisierte Verflechtung zwischen Bundesregierung, Unternehmen und (Wirtschafts)Verbänden.

Die Kritik

Das erste offensichtliche Problem ist der Mangel an Transparenz. Erst durch intensive Recherche konnte Monitor ans Licht bringen, dass und in welchem Umfang externe Mitarbeiter in Ministerien tätig waren oder sind, während sie weiterhin von ihrem eigentlichen Arbeitgeber bezahlt werden. Fortgesetzte Nachforschungen von Monitor und anderen Medien brachten dann immer mehr Fälle zu Tage, deren Existenz die Bundesregierung nur zögerlich einräumte. Bis heute fehlen detaillierte Angaben darüber, welche Mitarbeiter aus welchen Unternehmen zu welchen Themen tätig waren. Von einer umfassenden Aufklärung sowohl über vergangene als auch über aktuelle Fälle kann nicht die Rede sein.

Doch Transparenz allein genügt nicht. Selbst wenn es eine vollständige Übersicht über externe Mitarbeiter in Ministerien gäbe, bliebe die Praxis demokratieschädlich.

Werden Ministeriums-Mitarbeiter von Unternehmen bezahlt, werden sie zu Dienern zweier Herren. Damit wird der Grundgedanke des Grundgesetzartikels 33 unterlaufen, der festschreibt, dass Staatsdiener in einem Treueverhältnis zu ihrem Dienstherren stehen sollen. Auf diese Weise wird die absurde Situation geschaffen, dass Mitarbeiter von Unternehmen und Verbänden direkt oder indirekt an den Gesetzen mitwirken, die eigentlich ihre Unternehmen regulieren sollen. Da wird sprichwörtlich der Bock zum Gärtner gemacht.

Aber es geht nicht nur um die direkte Einflussnahme auf Regierungsprozesse. Durch den Einblick in interne Abläufe, Kenntnisse vertraulicher Themen und das Knüpfen persönlicher Kontakte entstehen den entsendenden Unternehmen Vorteile, die weit über die konkrete Tätigkeit im Ministerium hinaus reichen. In diesen Genuss können, das liegt in der Natur der Sache, nur wenige kommen. Das sind – das macht auch der Überblick in unserer Datenbank deutlich – in erster Linie große Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Dieser strategische Vorteil gegenüber anderen gesellschaftlichen Interessen kann mehr Transparenz nicht beseitigen. Die Konsequenz muss daher heißen: Lobbyisten raus aus den Ministerien!

Forderungen von LobbyControl

1. Lobbyisten raus aus den Ministerien!
Die Beschäftigung externer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien muss beendet werden. Die Bundesregierung muss weiteren Fällen dieser Art einen Riegel vorschieben. Dafür muss eine verbindliche Regelung geschaffen werden, die es verbietet, externe Mitarbeiter, die vom entsendenden Unternehmen weiter bezahlt werden, in den Ministerien zu beschäftigen.

2. Offenlegung aller Informationen!
Die Bundesregierung muss alle Informationen über die Mitarbeit von Lobbyisten in Ministerien lückenlos offenlegen. Wann genau haben externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an welchen Themen gearbeitet? Haben sie an Gesetzen oder staatlichen Verordnungen mitgewirkt? Wer waren die Mitarbeiter in den Ministerien und für welche Unternehmen und Verbände haben sie gearbeitet?

3. Transparente und demokratische Wege zu externem Sachverstand!
Externer Sachverstand soll stattdessen auf demokratischem Weg eingeholt werden, z.B. über Anhörungen oder andere Beteiligungsverfahren, die einen gleichberechtigten und offenen Zugang aller gesellschaftlicher Interessen ermöglichen. Der Austausch zwischen Regierung und Gesellschaft ist sinnvoll, aber er kann nicht durch die einseitige Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Unternehmen und (Wirtschafts)Verbänden in die Ministerien erfolgen.

Analog gelten diese Forderungen auch für die beteiligten Unternehmen und Verbände. Sie sollten aus eigener Initiative ihre Mitarbeit in Ministerien offenlegen und beenden.

Die politische Debatte

Den Enthüllungen durch Monitor folgte eine Zeit der Aufregung im Bundestag. Die Fraktionen von FDP (13.11.06), Bündnis 90/Die Grünen (04.12.06) und DIE LINKE (23.05.07) stellten kleine Anfragen an die Bundesregierung.[2][3][4] Die Antworten ließen jedoch viele Fragen offen. Sie listeten die in den Ministerien vertretenen Unternehmen und Verbände auf, aber ohne genau darzustellen, wie viele und welche MitarbeiterInnen sie in den Ministerien sitzen hatten und über welche Zeiträume. Auch die Aufgabenfelder wurden nur sehr grob und kaum aussagekräftig beschrieben. Wer also genau in den Bundesministerien saß, ob an Gesetzesvorhaben mitgearbeitet oder Einfluss auf Verwaltungsaufgaben ausgeübt wurde , blieb weitgehend unklar. Ebenso ist nicht sicher, ob die Antworten der Bundesregierung wirklich alle Fälle erfassten.

Die Bundesregierung selbst sah zunächst keinen Handlungsbedarf. Die Stellungnahmen der Bundesregierung verneinten die Mitwirkung von Teilnehmern des Austauschprogramms an Gesetzestexten. Die Austausch-Mitarbeiter seien lediglich in unteren Verwaltungsebenen tätig. Durch die „Einbindung in die hierarchischen Strukturen und der dadurch vorhandenen Kontrollmechanismen“, sei eine „Einflussnahme auf Entscheidungen […] ausgeschlossen“.[3]

Mittlerweile ist klar, das externe Mitarbeiter sehr wohl an Gesetzesentwürfen und Regulierungen mitgearbeitet haben. Die Monitor-Redakteure Kim Otto und Sascha Adamek beschreiben in ihrem im Februar 2008 erschienenen Buch „Der gekaufte Staat“ exemplarisch wie in Ministerien Einfluss auf die Gesetzgebung genommen wurde.[5]

Im April 2008 hat der Bundesrechnungshof seinen lange erwarteten Bericht zu der Problematik vorgelegt. Er warnt darin vor „erhöhten Risiken von Interessenkonflikten“. Der Haushaltsausschuss des Bundestages forderte daraufhin die Bundesregierung auf, bis Ende Mai klare Regeln für externen Mitarbeiter zu entwickeln. “Einsätze in Bereichen mit dem Risiko von Interessenskonflikten” müssten ausgeschlossen werden. Die Bundesregierung arbeitet nun an einer Verwaltungsrichtlinie für externe Mitarbeiter. An dem Austauschprogramm selbst will die Regierung festhalten.

Aber es gibt auch weitergehende Positionen: die Linksfraktion setzt sich in einem Antrag für ein verpflichtendes Lobbyregister (Drucksache 16/8453) ein, der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach von der SPD fordert die komplette Abschaffung dieser Praxis.

Stellungnahmen der Bundesregierung

Die Bundesregierung setzt in ihrer Argumentation vor allem darauf, dass erstens die "externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" in die Hierarchie der Ministerien eingebunden seien und daher unter der Kontrolle ihrer Vorgesetzten ständen und es zweitens für die Politik wichtig sei, in schwierigen Sachfragen auf externen Sachverstand zurückgreifen zu können.

Wir halten diese Argumente für unzutreffend. Zum einen kann es im Arbeitsalltag keine vollständige Kontrolle über die Tätigkeit der externen Mitarbeiter geben – das zeigt auch der Fall der DAK-Mitarbeit im Gesundheitsministerium. Weiterhin erhalten die externen Mitarbeiter auch bei einer Tätigkeit im unteren Hierarchiebereich quasi als Nebenprodukt interne Informationen und Kontakte, die sie zum Vorteil ihres Unternehmens oder Verbandes nutzen können.

Antworten auf parlamentarische Anfragen

„Eine politische Einflussnahme auf Entscheidungen der obersten Bundesbehörden wird durch die Einbindung der externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die hierarchischen Strukturen und der dadurch verbundenen Kontrollmechanismen ausgeschlossen. Zudem werden die betreffenden Personen auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten und auf Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten, die ihnen bei der Tätigkeit in den obersten Bundesbehörden bekannt werden, verpflichtet. Darüber hinaus achten insbesondere die unmittelbaren Vorgesetzten darauf, dass Interessenkonflikte vermieden werden.“[2]

„Die [Monitor-]Darstellung ist einseitig und stellt die Motive für den Informations- und Erfahrungsaustausch nicht zutreffend dar. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist bei spezifisch technischen Fragestellungen und im Bereich der Weiterentwicklung von Finanzierungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Public Private Partnership auf eine intensive Kommunikation mit Vertretern der Wirtschaft angewiesen. Ebenso erfordern die Aufgaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf allen Ebenen einen Kontakt zu Unternehmen und Verbänden. Aus diesem Grund praktiziert das Ministerium seit mehr als 30 Jahren einen Personaltausch mit Wirtschaftsunternehmen und Verbänden.“[3]

Dr. Steg, Pressesprecher des Auswärtigen Amtes:

„Aus der Antwort [der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP.Fraktion] geht deutlich hervor, dass der Einsatz dieser externen Mitarbeiter natürlich ganz bestimmten Regelungen unterliegt. Auf der einen Seite sind sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auf der anderen Seite wird darauf geachtet, dass politische Einflussnahme einer Institution, eines Verbandes im singulären Interesse ausgeschlossen ist. Aber die Möglichkeit, den Sachverstand, der zum Teil außerhalb der Bundesregierung natürlich bei Spezialthemen vorhanden ist, unmittelbar einzusetzen, etwa bei so komplizierten und komplexen Reformvorhaben wie die Gesundheitsreform und die Auswirkungen auf das Kassensystem, auf Einzugsverfahren oder Ähnliches, nutzt man sehr schnell, um externe Mitarbeiter mit hoher Kompetenz zu gewinnen, die die entsprechenden Beamten in den Ministerien oder im Kanzleramt beraten.“[6]

Weitere Stellungnahmen

Experten

Professor Hans Herbert von Arnim, Verwaltungsrechtler:

„Es ist für mich etwas ganz Neues und Überraschendes, die Betreffenden sind zwar in die Ministerien eingegliedert, ihre Loyalität gehört aber denen, die sie bezahlen aus der Wirtschaft, und die tun das nicht für Gotteslohn, sondern weil sie sich davon etwas versprechen, nämlich die Förderung ihrer Interessen, die bevorzugte Information, die sie auf diese Weise bekommen. Das ist eine besonders gefährliche Form des Lobbyismus, ja es bewegt sich sogar im Dunstkreis der Korruption.“[7]

Professor Jürgen Kessler, Technische Universität Berlin, zu Fraport-Mitarbeiter im hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium:

„Rechtlich handelt es sich offensichtlich um einen evidenten Interessenkonflikt. Es geht hier um die Verquickung privater Gewinninteressen mit dem Aufsichtsrecht des Staates. Dies ist eigentlich mit den Vorgaben des Verwaltungsverfahrens-Gesetzes, mit den Anforderungen an die Unabhängigkeit und Neutralität der Aufsichtsbehörde nicht zu vereinbaren. Ich halte ein solches Verfahren für rechtswidrig.“[8]

Jobst Fiedler, Professor für Public Management an der Hertie School of Governance, ehemaliger Mitarbeiter bei Roland Berger, zur Praxis von externen Mitarbeitern in den Bundesministerien:

„Der Prozess der Gesetzesvorbereitung besteht aus vielen Stufen. Und so haben die Externen wahrscheinlich auch Gelegenheit, etwa an der Stoßrichtung mitzuwirken. Doch die Debatte um etwaige Einflussnahme wird der Thematik nicht gerecht. Ich halte es generell für sinnvoll, privatwirtschaftlichen Sachverstand gezielt in die Ministerialarbeit einzubeziehen. Es muss nur auf anderem Wege geschehen.“[9] (Die Hertie School of Governance evaluierte im Auftrag von Deutscher Bank und dem Bundesministerium des Innern das Personalaustauschprogramm Öffentliche Verwaltung und private Wirtschaft[10])

Politiker

Hermann Scheer, SPD:

„Man kann aus dem, was inzwischen auf dem Tisch liegt, spätestens durch den Bundesrechnungshof nur die Schlussfolgerung ziehen: Die Tätigkeit dieser Einflussagenten aus einzelnen Unternehmen in den Ministerien sofort zu beenden. Und zwar ausnahmslos.“[11]

Karl Lauterbach, Bündnis 90/Die Grünen:

„Ich bin für die komplette und ersatzlose Abschaffung dieser Praxis“[12]

Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen:

„Lobbyisten verrichten in den Ministerien offensichtlich keine Kopierarbeiten, sondern waren bei ganz konkreten Gesetzesprojekten zur Beratung eingesetzt.“ Er warf der Regierung vor, das Parlament in der Vergangenheit wahrheitswidrig unterrichtet zu haben. Beck forderte, die gegenwärtige Praxis zu beenden. Externe Beschäftigte dürften in den Ministerien nicht mehr mit Aufgaben betraut werden, die ihr Unternehmen oder den Verband tangieren.[13]

Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen, jetzt bei Mars Inc.:

„Die Entsendung ist keine mildtätige Spende von Industrie-Unternehmen, sondern die werden das ganz klare Interesse haben, dass die Mitarbeiter Entscheidungsprozesse mit beeinflussen.“[7]

Rainer Brüderle, stellvertretener Vorsitzender der FDP-Fraktion:

„Man kann die Bundesregierung nur ermahnen ihre Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament, aber auch gegen die Medien ernster zu nehmen und klar und korrekt Antwort zu geben.“ [8]

Patrick Döring, MdB, FDP:

„Und in dem Moment, wo jetzt die Mitarbeiter für das Haus arbeiten, aber weiter von Verbänden oder Unternehmen bezahlt werden, dann entsteht das Problem Diener zweier Herren zu werden.“[7]

Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender Die Linke:

„Wenn man zynisch wäre, würde man sagen die Regierung ist ehrlich geworden. In unserer Demokratie regiert ja nicht das Volk, sondern die Wirtschaftsverbände regieren, also könnte die Regierung sagen, warum nehmen wir nicht gleich die Vertreter der Wirtschaft in die Ministerien.“[7]

Wolfgang Thierse, Bundestagsvizepräsident, SPD:

„Ich kannte diesen Umstand nicht, dass Mitarbeiter von Firmen in Ministerien sitzen und an Gesetzesvorhaben vorbereitend mitarbeiten. Das Problem besteht darin, dass mangelnde Transparenz Misstrauen erzeugen muss.“[7]

Beteiligte Wirtschaftsakteure

Heiko Stiepelmann, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie:

"Früher waren wir über Anhörungen in die Entscheidungsvorbereitung eingebunden. Das war oft zu spät. Heute sind wir sehr viel früher beteiligt an der Entwicklung von Maßnahmen im Bereich von ppp. Das ist für uns ein wesentlich effizienterer Ansatz. Wir haben einen Arbeitsvertrag mit dem Ministerium, die Mitarbeiterin arbeitet im Interesse der Bundesrepublik Deutschland."[7]

Entwicklungen seit 2008

  • Oktober 2009: Das Innenministerium hat dem Bundestag den dritten Bericht über „Externe Mitarbeite“ vorgelegt. Der Bericht zeigt, dass in den Ministerien nur noch wenige Mitarbeiter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden tätig sind. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Problematisch bleibt die intransparente Praxis. Der Bericht ist eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern nur für die zuständigen Ausschüsse des Bundestages und erfasst nur einen Teil des Problems: befristete Verträge, Werkverträge oder Beratungsverträge werden weiterhin nicht offen gelegt.

    Wiederum gibt es in diesem Bericht Unregelmäßigkeiten. So meldete die Bundesregierung zwei Fälle des Robert-Koch-Institut nach, die bis ins Jahr 2006 zurückgehen. Zudem wird die Verwaltungsvorschrift für externe Mitarbeiter lax gehandhabt. Der vorgesehene Zeitraum von 6 Monaten für Externe wird auch bei den neuen Fällen meist überschritten. Eine detaillierte Auswertung können Sie in unserem Blogbeitrag nachlesen. Dort finden Sie auch eine Übersicht der neuen Fälle als Pdf-Datei.


  • 16. April 2009: Das Innenministerium hat dem Bundestag den zweiten Bericht über die Beschäftigung „Externer Mitarbeiter“ in den Bundesministerien vorgelegt. Der Bericht zeigt, dass sich unser Einsatz gegen diese Praxis gelohnt hat: Zwar gibt es weiterhin von privaten Stellen entsandte Mitarbeiter/innen in den Ministerien. Doch ist ihre Zahl seit Inkrafttreten der Verwaltungsrichtlinie, die die Dauer und Einsatzbereiche einschränkt, zurück gegangen. Insbesondere Unternehmen und Wirtschaftsverbände scheinen das Interesse zu verlieren, seit sie nicht mehr an Gesetzen mitschreiben dürfen.

    Zugleich haben wir bei unserer Auswertung erneut Unregelmäßigkeiten festgestellt. So sind drei Fälle aus dem ersten Bericht von September 2008 in dem neuen Bericht nicht mehr zu finden, obwohl ihre Mitarbeit im Ministerium laut erstem Bericht im neuen Berichtszeitraum weiter lief. Umgekehrt wird im neuen Bericht ein Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im Gesundheitsministerium gelistet, der schon im August 2008 dort tätig war und demnach im ersten Bericht hätte aufgeführt werden müssen. Unklar bleibt außerdem, ob nicht Schlupflöcher genutzt werden: Von der Regulierung und Berichtspflicht werden befristete Arbeitsverhältnisse und Beratungsverträge nicht erfasst. Mehr Details zu dem Bericht in unserem Blog, der Bericht selbst ist auf dem Carta-Blog online zu finden.


  • 16. Oktober 2008: Der erste Bericht zum Einsatz externer Mitarbeiter in Ministerien und Bundesbehörden der Bundesregierung liegt inzwischen vor. LobbyControl kritisiert, dass der Bericht nicht vollständig ist - was das Innenministerium inzwischen eingeräumt hat. Außerdem zeigt der Bericht, dass die Bundesregierung ihre im Juli in Kraft getretene neue Richtlinie zum Einsatz “externer Mitarbeiter” nicht strikt umsetzt. In mehreren Fällen arbeiten Unternehmensvertreter weiterhin in Bereichen mit, die unmittelbar die Geschäftsinteressen ihrer Unternehmen betreffen, z.B. BASF im Bereich Anlagensicherheit, die DZ-Bank zu Finanzmarktfragen oder neu die Berliner Wasserbetriebe im Referat "Wasser; Energie; Stadtentwicklung" im Entwicklungsministerium. Mehr in unserer Kurzanalyse und den letzten Nachrichten zum Thema (linke Spalte). Die Details aus dem Bericht der Bundesregierung haben wir inzwischen in die Datenbank eingearbeitet. Eine Übersicht über die Fälle finden Sie hier als pdf-Datei


  • Juli 2008: Über 8.000 Protest-Mails haben Campact- und LobbyControl-Aktive im Juni an die Bundestagsabgeordneten aus ihrem Wahlkreis geschickt. Und unser Protest zeigte Wirkung: das Bundeskabinett hat eine Verwaltungsvorschrift für externe Mitarbeiter beschlossen, die auf Druck des Parlaments an einigen Punkten über die Vorschläge des Bundesrechnungshofes hinausgeht. So sollen externe Mitarbeiter/innen ganz von der Mitarbeit an Gesetzen ausgeschlossen werden und nicht nur von der „federführenden Formulierung. Leider konnte sich der Bundestag nicht dazu durchringen, einen kompletten Stopp des Einsatzes externer Mitarbeiter/innen in Ministerien zu fordern. Außerdem lässt die Regierung ein Schlupfloch frei: befristete Arbeitsverträge sind explizit aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen. Lobbyisten, die kurzfristig von den Behörden bezahlt werden, aber dann wieder zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren, können also weiterhin an Gesetzen mitschreiben können.

Übersicht: Lobbyisten in den einzelnen Ministerien

→ im Auswärtigen Amt
→ im Bundeskanzleramt
→ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
→ im Bundesministerium für Bildung und Forschung
→ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
→ im Bundesministerium der Finanzen
→ im Bundesministerium für Gesundheit
→ im Bundesministerium des Innern
→ im Bundesministerium der Justiz
→ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
→ im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
→ im Bundesministerium für Verteidigung
→ im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
→ im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
→ im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
→ im obersten Bundesbehörden; genauer Einsatzort unbekannt

Weiterführende Informationen

Keine-Lobbyisten-in-Ministerien.de

Einzelnachweise

  1. Hertie School of Governance 2006: Personalaustauschprogramm Öffentliche Verwaltung und private Wirtschaft. Evaluationsbericht (pdf)
  2. 2,0 2,1 Antwort der Bundesregierung (pdf) auf kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu "'Monitor' – Bericht über eine neue Art von Lobbyismus in Bundesministerien", Drucksache 16/3395, 13.11.2006. Abgerufen am 13. Juli 2011
  3. 3,0 3,1 3,2 Antwort der Bundesregierung (pdf) auf kleine Anfrage der Grünen-Fraktion zu "Mitarbeit von Beschäftigten von Verbänden und Wirtschaftsunternehmen in Bundesministerien und in nachgeordneten Bundesbehörden", Drucksache 16/3727, 04.12.2006. Abgerufen am 13. Juli 2011
  4. Antwort der Bundesregierung (pdf) auf kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Thema "Institutionalisierter Lobbyismus", Drucksache 16/5406, 23.05.2007. Abgerufen am 13. Juli 2011
  5. Adamek, Sascha/ Otto,Kim (2008): Der gekaufte Staat. Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch
  6. Pressekonferenz vom 27.11.2006 mit Fragen zur fristlosen Auflösung der Abordnung eines DAK-Mitarbeiters in das Gesundheitsministerium Abgerufen am 13. Juli 2011
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 7,5 Profitabel - Wie die Industrie an Gesetzen mitstrickt, Monitor-Bericht vom 19.10.2006
  8. 8,0 8,1 Bezahlte Lobbyisten in Bundesministerien: Wie die Regierung die Öffentlichkeit täuscht, Monitor-Bericht vom 21.12.2006
  9. Dirk Horstkötter: Die Maulwürfe. Offenes Lobbying - das war einmal: Heimlich graben sich immer mehr Interessenvertreter in die Berliner Apparate ein In: Impulse vom 17.04.2007, S. 30-33. Abgerufen am 13. Juli 2011
  10. Hertie School of Governance 2006: Personalaustauschprogramm Öffentliche Verwaltung und private Wirtschaft. Evaluationsbericht
  11. Abgeordnete wollen "Einflussagenten" nach Hause schicken, 03.04.2008, tagesschau.de. Nicht mehr online verfügbar
  12. Wenn der Daimler-Vertreter im Ministerium sitzt von Daniel Friedrich Sturm, 04.04.2008, Welt. Abgerufen am 13. Juli 2011
  13. Rege Lobbyarbeit in den Ministerien von Sigrid Averesch, 24.05.2008, Berliner Zeitung. Abgerufen am 13. Juli 2011

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