Parteienfinanzierung

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Die Art und Weise der Parteienfinanzierung entscheidet mit darüber, wie unabhängig Parteien von finanzstarken Lobby-Akteuren sind. Wie Parteien an ihre Mittel gelangen, ist historisch gewachsen und durch politische Traditionen bestimmt: So finanziert sich beispielsweise die FDP traditionell über einen hohen Anteil an privaten Spenden, während die SPD auf einen größeren Anteil an Mitgliedsbeiträgen zurückgreifen kann. Die Parteienfinanzierung unterliegt gesetzlichen Regelungen, die für alle Parteien gleichermaßen gelten.

Wer an welche Partei spendet, finden Sie in der Parteispenden-Datenbank
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Finanzierungsquellen der Parteien

In Deutschland existiert ein gemischtes System aus verschiedenen Formen der Parteienfinanzierung:

  • Mitgliedsbeiträge: Die Anteile der Mitgliedsbeiträge an den Einnahmen der Parteien reichten im Jahr 2020 von 17,69% (AfD) bis 33,14% (SPD).
  • Mandatsträgerbeiträge: Bei allen Bundestagsparteien ist es üblich, dass Mandatsträger einen Teil ihrer Diäten an ihre Parteien überweisen. Die Anteile der Mandatsträgerbeiträge an den gesamten Einnahmen der einzelnen Parteien lagen im Jahr 2020 zwischen 8,22% (FDP) und 18,85% (Grüne).
  • Parteispenden: Bei den Parteispenden wird zwischen denen natürlicher und denen juristischer Personen unterschieden, wobei Letzteres die Spenden von Verbänden, Vereinen und Unternehmen umfasst. Insgesamt reichten die Anteile der Parteispenden im Jahr 2020 von 7,17% (Linke) bis 28,15% (CSU). Die Partei Die Linke nimmt jedoch seit Satzungsbeschluss von 2015 keine Unternehmensspenden mehr an. [1]
  • Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit, Beteiligungen und sonstigem Vermögen, darunter auch Einnahmen aus Sponsoring: Hier reichte die Spannbreite der Anteile 2020 von 0,18% (Linke) bis zu 5,71% (SPD).
  • Einnahmen durch Vertrieb von Drucksachen und Einnahmen aus Veranstaltungen, darunter auch Einnahmen aus Sponsoring: Hier reichte die Spannbreite der Anteile 2020 von 0,16% (Linke) bis zu 3,81% (CDU).
  • staatliche Mittel: Dieser Teil der Finanzierung macht meist den größten Teil der Parteienfinanzierung aus. Die Anteile lagen im Jahr 2020 zwischen 33,39% (CSU) und 48% (AfD). Die staatliche Parteienfinanzierung berechnet sich nach den Stimmanteilen der Parteien bei Wahlen (im Volksmund deshalb oft "Wahlkampfkostenerstattung" genannt) und unterliegt einer Obergrenze. Weitere Informationen hier.

Die rechtliche Grundlage der Parteienfinanzierung findet sich im Grundgesetz (Artikel 21). Es schreibt vor, dass Parteien öffentlich Rechenschaft über ihr Vermögen sowie die Herkunft und Verwendung ihrer Finanzmittel ablegen müssen. Die Details regelt das Parteiengesetz. Die Rechenschaftsberichte der Parteien sind über die Webseite des Bundestages öffentlich einsehbar.

Kritik

Fehlende Obergrenzen

Für Spenden oder andere private Zuwendungen gibt es in Deutschland keinerlei Obergrenze. Zudem sind auch Parteispenden von Unternehmen und Verbänden legal. Dies ist in anderen Ländern anders: Beispielsweise dürfen in Frankreich Privatpersonen maximal 7.500 Euro jährlich an Parteien spenden, Parteispenden von Unternehmen und Verbänden sind verboten.

Die fehlenden Schranken in Deutschland bedeuten, dass das demokratische Grundprinzip gleichen Stimmgewichts aller Bürgerinnen und Bürger durch hohe finanzielle Zuwendungen an die politischen Akteure aufgeweicht und gefährdet wird. In Deutschland spenden zahlreiche Konzerne, Wirtschaftsverbände und extrem reiche Einzelpersonen regelmäßig fünf- und sechsstellige Beträge an die von ihnen bevorzugten Parteien. Dies beeinflusst das politische Wettbewerbsgefüge, insbesondere in Wahlkämpfen. Es kann Abhängigkeiten begründen und bei den Empfängern den Druck oder die Neigung erzeugen, sich aus Dankbarkeit mit politischer Gefälligkeit zu revanchieren.

Mangel an Transparenz

Das Grundgesetz verlangt in Artikel 21 Abs. 1 Satz 4 zum Schutz der Demokratie vor intransparenter Einflussnahme, dass die Parteien öffentlich Auskunft über Herkunft und Verwendung ihrer Mittel geben müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass dies darauf zielt, dass die Wähler:innen sich über finanzielle Einflussnahmen informieren können; eine aufgeklärte Wahlentscheidung soll möglich sein (vgl. BVerfGE 85, 264 [165]). [2] Dieses Ziel wird jedoch in mancherlei Hinsicht nicht erreicht.

  • So müssen die Parteien Spenden erst ab einer Größenordnung von 10.000 Euro pro Jahr in ihren Rechenschaftsberichten veröffentlichen. Diese Transparenzschwelle ist so hoch, dass bis zu 75 Prozent der Unternehmensspenden an Parteien anonym bleiben.
  • Die Rechenschaftsberichte erscheinen erst rund zwei Jahre nach Spendeneingang. Damit ist es oft nicht möglich, kritisch zu hinterfragen, ob es einen unzulässigen Zusammenhang zwischen einer Spende und einer politischen Entscheidung gab. Nur Einzelspenden ab 50.000 Euro müssen unmittelbar dem Bundestag angezeigt und veröffentlicht werden.
  • Durch Stückelung von Spenden in Beträge knapp unterhalb der Schwellen kann die Veröffentlichungspflicht leicht umgangen werden. So spendete der zweitgrößte Parteispender der letzten Jahre, das Firmengeflecht der Deutschen Vermögensberatung AG DVAG, von 2011 bis 2017 über 6,4 Millionen Euro (davon allein über 4,2 Millionen Euro an die CDU und über 1,8 Millionen Euro an die FDP), ohne dass auch nur ein einziger Teilbetrag sofort nach Zahlung veröffentlicht wurde. Eine öffentliche Diskussion über die Spenden wird so weitestgehend vermieden. Zudem werden immer wieder Fälle publik, bei denen Spenden in Beträge knapp unter 10.000 Euro gestückelt wurden. Dabei werden teilweise auch Strohleute eingesetzt. Für Beispiele siehe Parteispenden.
  • Nicht im Einzelnen offenlegen müssen die Parteien die seit Jahren wachsenden Einnahmen aus sogenanntem Parteisponsoring durch Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Die konkrete Herkunft von Millionenbeträgen bleibt so vor der Öffentlichkeit verborgen. Denn die Sponsoringeinnahmen gehen nur anonym in verschiedene Sammelposten der Rechenschaftsberichte ein („Einnahmen aus Veranstaltungen“, „Einnahmen aus Beteiligungen“, „Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit“). Stichproben zeigen, dass Sponsor-Einnahmen die Höhe von Spenden weit übersteigen können. So erhielt beispielsweise die CDU in 2015 98.000 Euro vom Tabakkonzern Philip Morris, davon 83.000 Euro als Sponsorgeld, 15.000 Euro als Spende. Für mehr Informationen siehe Parteisponsoring.
  • Auch für indirekte Zuwendungen an Parteien in Form von Wahlkampfunterstützung durch Dritte (sogenannte „Parallelaktionen“) gibt es keine Transparenzregeln, sodass die Geldgeber umfangreicher Wahlkampagnen unerkannt bleiben können. Von solchen anonymen Geldern in Millionenhöhe profitierte die AfD seit 2016 bei Landtagswahlen und der Bundestagswahl (für mehr Informationen siehe Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten).
  • Schließlich werden auch die Kreditgeber der Parteien nicht offengelegt. Dabei kann eine Partei durch Kredite noch massiver von Geldgebern abhängig werden als durch Spenden. Zudem können Spenden in Form von Krediten mit besonders niedrigen Zinsen oder Tilgungsraten maskiert werden. Die vom früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker eingesetzte Kommission zur Reform der Parteifinanzierung forderte schon 1993, die Kreditgeber der Parteien offenzulegen. Auch Bundestagspräsident Lammert sieht das Risiko von Abhängigkeit und Einflussnahme vor allem bei Geldgebern, die in den Rechenschaftsberichten als „sonstige Darlehensgeber“ anonym aufgeführt sind. Denn bei ihnen müsse man damit rechnen, dass sie „über eine Kreditvergabe nicht unter den üblichen geschäftlichen Bedingungen eines Kreditinstituts entscheiden, sondern nach Maßgabe politischer, taktischer oder strategischer Gesichtspunkte.“[3]

GRECO

Die europäische Staatengruppe gegen Korruption GRECO sieht deutlichen Verbesserungsbedarf in den deutschen Regelungen der Parteienfinanzierung. 2009 forderte die Staatengruppe Deutschland zu Reformen für mehr Transparenz auf und leitete 2011 sogar ein Mahnverfahren ein. Die Forderungen und Empfehlungen wurden von der Bundesregierung weitestgehend nicht umgesetzt. Für mehr Informationen siehe den Artikel zu GRECO.

Finanzquellen der deutschen Bundestagsparteien 2020

Angaben in %

  CDU CSU SPD Grüne Linke FDP AfD
Mitgliedsbeiträge 24,92 24,63 33,14 28,51 31,62 26,73 17,69
Mandatsträger- beiträge 14,25 8,6 15,84 18,85 16,21 8,22 10,59
Spenden von natürlichen Personen 11,9 20,2 6,04 8,91 7,17 13,59 18,96
Spenden von juristischen Personen 5,79 7,95 1,21 1,05 0,01 3,55 0,15
Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit, Beteiligungen und sonstigem Vermögen (darunter auch Sponsoring) 3,36 1,38 5,71 0,25 0,18 2,06 0,24
Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften und Veröffentlichungen und sonstigen mit Einnahmen verbundener Tätigkeit (darunter auch Sponsoring) 3,81 3,22 3,34 0,68 0,16 3,15 0,18
Staatliche Mittel 35,54 33,39 33,81 38,79 42,07 42,49 48
Sonstige Einnahmen 0,43 0,63 0,82 2,96 2,58 0,22 4,19
Gesamte Einnahmen in Millionen € 151,16 45,44 160,84 66,05 33,68 36,93 24,58

Quelle[4]

Forderungen von LobbyControl zur Parteienfinanzierung

Für eine transparentere, verfassungskonforme Parteienfinanzierung fordert LobbyControl, dass

  • die Veröffentlichungsgrenzen für Parteispenden deutlich gesenkt werden: Spenden ab 10.000 Euro sollen sofort nach Spendeneingang offengelegt werden (bisher: ab 50.000 Euro). Bei Spenden ab 2.000 Euro sollen Spender namentlich in den Rechenschaftsberichten der Parteien genannt werden. Bisher liegt diese Veröffentlichungsgrenze bei 10.000 Euro, so bleiben bis zu 75 Prozent der Spenden juristischer Personen anonym.
  • im Parteiengesetz (PartG) Regelungen zum Parteisponsoring ergänzt und alle Formen von Parteiensponsoring umfassend offengelegt werden.
  • Sponsorenzahlungen ab 10.000 Euro sofort und ab 2.000 Euro im Rechenschaftsbericht mit Nennung der Sponsoren und der Gegenleistung seitens der Partei offengelegt werden.
  • für Spenden und Sponsoring eine Obergrenze von 50.000 Euro pro Spender bzw. Sponsor gilt.
  • die Einhaltung der Regeln durch ein unabhängiges Gremium kontrolliert und wirksam sanktioniert wird.

Weitere wünschenswerte Verbesserungen:

  • In den Rechenschaftsberichten der Parteien sollte aufgeführt werden, wenn Spenden an eine Untergliederung der Partei gingen, so dass die gezielte Förderung einzelner Abgeordneter und deren Wahlbezirke durch einzelne Firmen oder Verbände erkennbar wird.
  • Die Spendendaten sollten nicht nur als pdf-Dateien veröffentlicht werden, sondern in einer öffentlich zugänglichen Datenbank, die durchsuchbar ist und Bürger/innen Auswertungen ermöglicht (z.B. Gesamtspenden eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum). Da die Bundestagsverwaltung im Gegensatz zu den vergleichbaren Aufsichtsbehörden in anderen Ländern immer noch nicht tätig wurde, hat LobbyControl eine solche Parteispenden-Datenbank erstellt und in die Lobbypedia integriert.
  • Die Regeln für die Parteienfinanzierung sollten potentielle Umgehungsstrategien von vornherein aufgreifen und möglichst weitgehend erfassen. Es muss z.B. Regeln zum Spendensammeln durch Lobbyisten, Unternehmen oder Vereine geben (in den USA „Bundeling“ genannt). Auch Aspekte wie das geschäftliche Engagement der Parteien oder Kredite an Parteien müssen dabei bedacht werden.

weitere Informationen

Die staatliche Parteifinanzierung in der Bundesrepublik wurde 1959 eingeführt und bereits 1966 vom Verfassungsgericht eingeschränkt.[5]

Aktuelle Informationen aus der Welt des Lobbyismus

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  1. DIE LINKE: Unternehmensspenden - Ergänzung der Bundessatzung, bundestag.de, abgerufen am 06.09.2017
  2. Bundesverfassungsgericht - Entscheidungen, bundestag.de, zuletzt abgerufen am 13.12.2022
  3. Bericht über die Rechenschaftsberichte 2012 bis 2014 der Parteien sowie über die Entwicklung der Parteienfinanzen, bundestag.de, abgerufen am 06.09.2017
  4. Rechenschaftsberichte der Parteien für das Jahr 2020 bundestag.de, zuletzt aufgerufen am 13.12.2022
  5. Vor 50 Jahren: Bundesverfassungsgericht urteilt über die Parteifinanzierung, Deutschlandfunk, 19. Juli 2016, zuletzt aufgerufen am 19.7.2016

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