Expertengruppe Neue Finanzmarktarchitektur

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Das Gremium wurde im Oktober 2008 im Zuge der Welt-Finanzkrise von Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Leben gerufen. Die Expertengruppe soll Vorschläge zur Bekämpfung der Finanzkrise und zur Vorbeugung weiterer Krisen machen, insbesondere mit Blick auf die internationalen Beratungen zu dem Thema.

Spätestens 2011 hatte die Expertengruppe ihren Auftrag offiziell erfüllt. "Aber informell arbeitet sie weiter", hieß es in diplomatischen Kreisen in Brüssel.[1] Mit Otmar Issing war ein Berater von Goldman Sachs zum Vorsitzenden berufen worden. Issing war erst ein Jahr zuvor zu Goldman Sachs gewechselt, nachdem er von 1998 bis 2006 im Direktorium der Europäischen Zentralbank saß und deren Chefökonom war.

Teilweise wurde die Expertengruppe Neue Finanzmarktarchitektur auch als Issing-Kommission bezeichnet.

Besetzung

Bewertung

Die Expertengruppe war einseitig besetzt. Ihr Vorsitzender Otmar Issing war neben der bereits erwähnten Beratertätigkeit für Goldman Sachs Präsident des Center for Financial Studies, einem von der Finanzbranche gesponsorten Institut an der Universität Frankfurt. Mit Klaus Regling war ein weiterer Monetarist in der Gruppe, der auch schon in der Finanzbranche arbeitete (für Moore Capital Strategy Group, einen Hedge-Fond). Außerdem gehörte der deutschen Gruppe Jan Pieter Krahnen an, der neben seiner Tätigkeit als Professor an der Goethe Universität Frankfurt Direktor des Center for Financial Studies war und im Beirat der DZ Bank saß.

Außerdem war William R. White von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Mitglied in der Expertengruppe, der frühzeitig vor der Finanzkrise gewarnt hatte. Als Vertreter der Bundesregierung nahmen der Wirtschaftsberater von Angela Merkel, Jens Weidmann, und der Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen teil. Asmussen stand als Aufsichtsratsmitglied der Mittelstandsbank IKB und wegen seiner früheren Mitgliedschaft im Gesellschafterbeirat der True-Sale International (TSI) in der Kritik, einer Lobby-Plattform für die Förderung von Verbriefungsgeschäften in Deutschland.

Issing wurde parallel in ein vergleichbares Beratergremium bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso berufen, die ebenfalls einseitig besetzte Larosière-Gruppe.

Die Episode Tietmeyer

Merkel kündigte in ihrer Regierungserklärung am 15.10.2008 vor dem Bundestag an, eine Expertengruppe zur Beratung der Bundesregierung einzuberufen. Als Vorsitzenden wollte sie Hans Tietmeyer einsetzen. Die Expertengruppe sollte Vorschläge zur Bekämpfung der Finanzkrise und Prävention machen, vor allem hinsichtlich der Internationalen Konferenzen.[2]

Nach heftiger Verwunderung und Widersprüchen im Parlament teilte Tietmeyer dem Bundeskanzleramt seinen Rückzug mit.[3] Außerdem wehrte sich die SPD gegen die Entscheidung der Kanzlerin. Der Grund der Empörung war, dass Tietmeyer im Aufsichtsrat der HypoRealEstate saß und die deutsch-irische Tochter Depfa-Bank kontrollierte, die maßgeblichen Anteil an den immensen Verlusten der HRE hatte. Seine Tätigkeit als Vorsitzender des Kuratoriums der neoliberalen Arbeitgeber-Kampagne Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sorgte in den Medien dagegen kaum für Aufsehen.

Die Berufung Issings anstelle Tietmeyers wurde ebenfalls kritisiert. Für Albrecht Müller von den Nachdenkseiten unterscheidet sich in seinen wirtschaftspolitischen Dogmen keinen Deut von Tietmeyer. Issing war und sei ein Propagandist der freien Finanzmärkte und ein fundamentalistischer Monetarist. Er ist wie Tietmeyer Mitglied im Kuratorium der neoliberalen Friedrich August von Hayek Stiftung.[4]

Die Vorschläge der Expertengruppe

Die ersten Vorschläge legt die Gruppe noch vor dem Weltfinanzgipfel im November 2008 in Washington vor. Sie regt u.a. ein globales Kreditregister und eine Risiko-Weltkarte an, in der weltweit agierende Finanzinstitutionen auflistet werden. Lücken bei der internationalen Aufsicht der Finanzmärkte sollen geschlossen werden. Die Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll gestärkt werden. Quelle: ddp Basisdienst, 14. November 2008 Freitag

In der Eurokrise plädierte sie gegen Hilfen für Griechenland und für eine starke Stellung des IWF – letztlich stimmte die deutsche Regierung aber einem europäischen Rettungspaket zu. Vor dem G20-Gipel im Juni 2010 plädierte die Expertengruppe für eine stärkere Bankenabgabe als die Bundesregierung plante. Zugleich unterstützte sie die Bundesregierung in ihrem Sparkurs und lehnte weitere Konjunkturmaßnahmen ab, wie sie insbesondere US-Präsident Barack Obama forderte. Quelle: Der Tagesspiegel, Mittwoch 3. März 2010

Bewertung

Die Expertengruppe tritt für einzelne Reformen der Finanzmärkte ein, aber nicht für einen stärkeren Schwenk in der Wirtschaftspolitik. Das reflektiert die einseitige Zusammensetzung der Gruppe. Es fehlen Personen, mit weiter gehender Kritik an den Finanzmärkten.

Wie relevant die Arbeit der Expertengruppe wirklich ist, ist schwer zu beurteilen. Regelmäßig vor den internationalen G20-Treffen zur Finanzkrise gibt es Gespräche mit der Bundeskanzlerin sowie eine Pressekonferenz dazu.[5] Diese dienen möglicherweise auch dazu, der Regierung für die internationalen Verhandlungen Rückendeckung zu geben.

Fest steht immerhin, was die Expertengruppe nicht ist: eine systematische und kritische Aufarbeitung der Finanzkrise und der politischen und unternehmerischen Verantwortlichkeiten.


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